Eine Kleinigkeit helfen: Von einem, der oft nach Kenia fliegt und nur als Tourist ein schlechtes Gewissen hätte

Egal wohin, sagte sich Bernd Hunold vor viereinhalb Jahren, nachdem er sich entschlossen hatte, eine Last-minute-Reise anzutreten. Seine Wahl fiel auf Kenia. Er wusste, dass das ostafrikanische Bilderbuchland alles bietet, was man sich unter Afrika vorstellt. Auf Safari durch die Nationalparks, die „Fünf Großen“- Elefant,Giraffe,Löwe,Büffel und Leopard-vor sich zu haben, herrliche Strände am Indischen Ozean genießen, Bananen pflücken -und den Leuten begegnen in jenem Land, indem die Wiege der Menschheit stand.

Nach Kenia, sagte der Drucker aus Dingelstädt, der in Eschwege arbeitet, „zieht es mich immer wieder hin“. Zweimal im Jahr steigt er in Frankfurt/Main in den Flieger und betritt in Mombasa afrikanischen Boden, auf dem er am Nikolaustag 2009 seinen 31. Geburtstag feierte. Das ergab sich so.

Mama Susans Straßenkinder

„ Ich komme im Herbst wieder“, versprach er im April „Mama Susan“, der Leiterin des Waisenhauses in Mombasa Er hatte einen dort lebenden Schweizer gefragt, wo man etwas Gutes tun kann. Der Bekannte zeigte ihm im Hotel eine Wandzeitung über dieses Heim. Zurzeit 48 Kinder, die man von der Straße aufgelesen hatte werden im

„ Children Home“der „Child Welfare Society „versorgt. Der Jüngste ist drei Monate alt. Die Findel- und Straßenkinder erhalten auch eine Schulbildung. Lesen und schreiben lernen kostet in Kenia viel Geld. Mama Susan konnte sich auf Bernd verlassen. Etwas später als zugesagt, im Advent ,kam er zurück, auf seiner neunten Kenia Fahrt. Zusammen mit einem Freund, der zum siebten Mal mitfuhr, und dessen Freundin. Auf dieser Reise beobachteten die Dingelstädter neben Mombasa, einer von Arabern und später von den Engländern sowie von ihren indischen Arbeitern geprägten Hafenstadt mit heute 600000 Einwohnern , auch die Gegend um die ugandische Grenze und die Hauptstadt Nairobi. Bernd Hunold brachte Geld mit, das ihm Verwandte , Freunde und der Kegelklub „Shalom“ anvertraut hatten. Insgesamt eine 1000 Mark-Spende Dingelstädter Bürger für das Waisenhaus in Mombasa. „ Sie haben es mir gegeben, weil sie wissen, dass es ankommt“, erzählt Hunold. Vor zwei Jahren hatte ihm sein damals zwölfjähriger Neffe , zehn Mark von seinem Taschengeld mitgegeben, für das SOS-Kinderdorf in Mombasa. Von dem großen Vertrauen ist er immer wieder überwältigt. Schließlich fahre er ja bloß als einfacher Tourist dorthin, der „ mit einer Kleinigkeit helfen und Freude bereiten“ will. Meist wird er wegen seiner Kenia-Reisen angesprochen. „Dann zeige er ein kleines Album mit 20 Fotos und erzähle Geschichten“. Mit seinen Fotos von den Menschen in den Großstädten und Slums und (zum Schutz vor Elefanten) mit Stacheldraht umzäunten Dörfern, Löwen und Giraffen am Straßenrand und einsamen Baobab-Bäumen in der Savanne könnte er eine Aufstellung bestreiten. Aber das hat er ebenso wenig vor, wie größere Hilfsaktionen. Er könne einfach nicht in diesem trotz aller Naturschönheiten so armen Land, indem er sich nun schon sechs Monate aufhielt, „so leben, wie Gott in Frankreich“. Für das Verhalten mancher Touristen müsse man sich regelrecht schämen.

Flüchtlingslager

Schon bei seinen ersten Überlandreisen, meist als einziger Weißer in überfüllten Bussen und Eisenbahnen, schenkte er den Kindern Süßigkeiten und Spielzeug. Zusammen mit anderen deutschen hatte er 1997 auch ein Flüchtlingslager auf einem Kirchengelände in Mombasa besucht. Damals gab es während der Wahl Unruhen. Die über 50 Völker Kenias leben nicht immer friedlich zusammen. Auch beim erneuten Besuch des Waisenhauses kaufte Bernd Hunold zusammen mit einem befreundeten einheimischen Taxifahrer für die Kinder ein. Ein kleiner Laden wurde so fast seine gesamten Bestände an Mehl, Reis, Milch, Glühbirnen, Mückenspray und anderen Haushaltswaren los. Die Kinder freuten sich auch riesig über mitgebrachte Bananen. Wer keine eigenen Stauden hat, braucht Geld, um Bananen essen zu können.

Was dringend gebraucht wird, hatte Hunold mit einer Frau abgesprochen ,der das Waisenhaus seit einiger Zeit sein Fortbestehen verdankt. Denn das vorhandene Geld reicht noch nicht einmal zur Bezahlung einer einzigen Tagesmutter, so Ingeborg Hoffmann-die Kinder nennen sie „Mama Niki“- hatte 18 Jahre lang in Kenia als Reiseführerin gearbeitet und lebt nun auf Sylt. Sie sorgt derzeit dafür, dass das Heim eine Schule, einen Spielplatz und einen Brunnen bekommt.

Lange Trockenzeiten sind in dem Land am Äquator nicht selten. Bernd Hunold und seine beiden Mitreisenden sahen auf ihrer Dezemberreise viele Rinderskelette am Straßenrand liegen. Aber zum Glück hatte es endlich mal wieder geregnet. Reichtum und Armut liegen dicht beieinander . Nicht weit von den Urlauberstränden ,die zu den schönsten der Welt zählen, spielen in sengender Sonne Straßenkinder in übelriechenden Müllhaufen am Stadtrand von Mombasa.

„Nein“, sagt der begeisterte Kenia-Urlauber Bernd Hunold, „wenn ich es mir nur gut gehen lassen würde, hätte ich ein schlechtes Gewissen“.